Es mag an mir liegen, ich begegne ihm immer wieder, dem Anspruch zu begeistern. Eine Führungskraft im Seminar benannte ihn neulich so: „Ich habe gelesen, es reiche nicht, dass die Mitarbeiter/innen zufrieden sind, man muss sie begeistern. Wie denken Sie darüber?“
Die Begeisterung des anderen liegt nicht in meinem „Circle of Control“
Stephen Covey hat ein Modell publiziert, das mir für diese Frage Sortierhilfe bietet: „Liegt es in meiner Kontrolle?“ Nein. Klar ist: Ich kann die Begeisterung des anderen nicht kontrollieren. „Kann ich es beeinflussen?“ Schon kniffeliger. Kann sein und kann nicht sein. Denn im Sprachschatz mancher sachlich-kritischer Menschen kommt der Satz „Ich bin begeistert“ einfach nicht vor.
Möglicherweise folgt der Nicht-Ausdruck einfach dem Nicht-Erleben. Denn „der Zustand freudiger Erregung und mit leidenschaftlicher Anteilnahme getragenem Tatendrang“ (Duden) entspricht nicht jedermanns „Sein“ im Büro. Und ob jeder mit den alten Griechen eine „göttliche Inbesitznahme“ schätzt? Das hat vielleicht auch damit zu tun, ob er ganz „entgeistert“ ist (der Lebenskraft beraubt) und „mit Geist erfüllt werden“ möchte. Daher wage ich die These: Nicht jeder mag begeistert werden. Denn der Verdacht der Manipulation liegt aus guten Gründen nah.
Begeisterung liegt schon früh im Auge des Betrachters
Ich selbst bin gern begeistert und kann mich begeistern. Zum Beispiel für tolles Essen. Sollte ich einmal beruflich umsatteln, eröffne ich das Restaurant „Bunt“. Mich begeistert ein Teller mit Salat, Karotten, Kirschtomaten, Avocado, Granatapfelkernen, Hummus, Chiasamen, Blaubeeren. Für mich wurde die Buddha-Bowl erfunden!
Unsere Kinder dagegen verlangten mit Vorliebe „nackte Nudeln“. Die farbneutrale Zugabe zerfließender Butter wurde gerade so akzeptiert. Ob sie das Gericht begeistert hat? Ich weiß es nicht. Aber ich bin froh, dass ich keinen Anspruch entwickelte, Begeisterung zu erzeugen. Denn wer gerade mit „nackten Nudeln“ zufrieden ist, will nicht mit etwas anderem befüllt oder erfüllt werden. Die Erfahrung lehrt: Begeisterungsversuche enden oft in Stress für alle. Wogegen die gemeinsame Freude an der Namensgebung von Axel Hacke bei allen die Begeisterung für Wortspiele bahnte.
Los, streng dich an – ich bin noch nicht begeistert!
Der Anspruch zu begeistern, bringt weitere Schattenseiten mit sich: Gefälle und Beliebigkeit. Das beste erreichbare Ergebnis: „Sie haben mich begeistert!“ Das klingt nicht nur für mich von oben herab. Der noch schlechtere Fall (begleitet von müdem Lächeln): „Na ja, Sie haben mich nicht begeistert… .“ Mal ehrlich, mit Blick auf Zweck und Ziel: Kommen wir bei der Arbeit zusammen, damit ich begeistere? Oder geht es darum, zusammen zu erreichen, was nur gemeinsam erzielt werden kann?
Fritz Perls, Mitbegründer der Gestalttherapie, hat es etwa so gesagt: „Ich bin nicht in dieser Welt, um es Dir recht zu machen. Du bist nicht in dieser Welt, um es mir recht zu machen. Wenn wir uns treffen, dann ist das sehr schön. Und wenn wir uns nicht treffen, dann ist das schade.“ Er fand weise Worte für Beziehungen. Sie können auch in Arbeitsbeziehungen Orientierung bieten.
Wenn ich lebe was ich bin, kann das begeistern
Die „nackten Nudeln“ haben mich noch etwas gelehrt: wer dem Anspruch nacheilt, andere zu begeistern, beraubt sich seines Potenzials. Und bringt nicht in die Welt, was ihm wichtig ist. Mehr noch, lebt nicht das, was ihn einzigartig macht.
Wie wäre es dagegen damit, als Führungskraft so viel wie möglich von dem zu tun, was mich selbst begeistert? Dann habe ich die Chance, die Menschen anzuziehen, die sich für das Gleiche begeistern. Und unsere gemeinsame Begeisterung ist dann ein Ergebnis und ein Motor für Neues zugleich. Wer dies tut, kann durchaus neugierig bleiben, was andere begeistert. Beim „Anderen“ lässt sich das Neues kennenlernen, das einen über den bisherigen Horizont begeistern kann.
Erforschen Sie, gerne begeistert, die eigene Begeisterung!
1. Fragen Sie sich: Was begeistert mich? Was noch?
2. Überlegen Sie 2 Maßnahmen, wie Sie dies in Ihre Arbeit (noch mehr) einbringen können.
3. Erzählen Sie den Menschen, mit denen Sie arbeiten, davon. Stellen Sie ihnen die gleichen Fragen.
Begeistert es Sie, neue Aspekte in Ihren Gedanken, Gefühlen und im Miteinander zu entdecken? Lesen Sie hier gerne mehr.
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