„Wir sind alle gemischte Tüten“ sagt Shirzad Chamine. Ich mag das Bild. Denn der  Blick auf sich selbst als gemischte Tüte führt zu mehr Selbstakzeptanz. Und der Blick auf den „gemischten“ Gegenüber macht friedvoller. Aber die Superkraft liegt darin, „gemischte Tüten“ gemeinsam weiter zu einer „Besten Wahl“ zu entwickeln.

Wir kennen die Zutaten unserer gemischten Tüte

Jeder hat sie, produktive und weniger produktive Gedanken, Gefühle und Verhaltensweisen. Das Konzept der Positive Intelligence zeigt dabei zwei gegensätzliche Kräfte auf: den inneren Weisen und die inneren Saboteure. Der innere Weise ist empathisch, kennt seine Werte, entwickelt Lösungen und handelt mit Überblick und Fokus. Ist diese Instanz am Steuer, erleben wir positive Gefühle: Leichtigkeit, Gelassenheit und Verbundenheit. Und: wir sind produktiv. Kein Wunder, denn in unserem Gehirn sind der Präfrontale Kortex und der Empathie-Schaltkreis aktiv.

Die inneren Saboteure dagegen sind alte Muster aus unserer Kindheit. Oft schreiben wir ihnen sogar unsere Erfolge zu. Der größte Saboteur ist der innere Richter. Er verurteilt uns selbst, die anderen oder aber die Umstände. Begleitet wird er von Komplizen wie z.B. dem Kontrollierer, dem Rastlosen oder dem Vermeider. Im Saboteur-Modus übernehmen in unserem Gehirn stammesgeschichtlich alte Regionen: Hirnstamm und Amygdala, gemacht für’s Kämpfen oder Fliehen.

Unsere Standard-Einstellung steht auf negativ

Für unsere Vorfahren waren negative Emotionen wichtig – wichtiger als die positiven. Wer aus Angst viel Zeit in der Höhle verbrachte, lebte länger als derjenige, der mit großer Freude Blümchen pflückte. Diese Standard-Einstellung haben wir im Gepäck: Kommen wir in eine herausfordernde Situation, übernehmen die Saboteure. Dann läuft im Gehirn ein gespeichertes Reiz-Reaktions-Muster ab: Immer wenn Situation x auftritt, dann verhalte ich mich kontrollierend, raslost, vermeidend etc. Das kann zu passablen Ergebnissen führen. Dummerweise aber gekoppelt an negative Gefühle wie Angst, Ärger oder Frust.

Ist das schlimm? Es ist mindestens suboptimal. Denn der innere Weise verspricht  in derselben Situation Leistungsfähigkeit, Gelassenheit und ein besseres Miteinander. Das wäre doch ein attraktives Two-in-One: Gleiche oder bessere Leistung und dazu noch gute Gefühle! Wenn das möglich ist, möchte ich gern wissen, wie mir das gelingt. Aber halt, bevor ich selbst aktiv werde, ist da ja noch der andere, diese andere gemischte Tüte! Ach, es wäre doch zu schön, wenn einfach sie schuld sein könnte …

Du holst aus mir das Schlechteste – oder das Beste!

Denn treffen wir auf andere, nehmen unsere Saboteure Tuchfühlung auf. Sie erkennen sich, sie triggern sich. So zum Beispiel: Jemand hat mir etwas zugesagt, hält es aber nicht ein. Im Saboteur-Modus klagt mein innerer Richter den Unzuverlässigen an: „Typisch, kein Verlass!“ Mein Kontrollierer springt ihm bei und weiß genau, wie sich der andere hätte verhalten müssen. Wenn diese beiden Saboteure das Gespräch kapern, bringen sie die Saboteure des anderen auf den Plan: Vielleicht den Vermeider, der sich dem Gespräch entzieht. Oder aber das Opfer, das jede Verantwortung von sich weist.

Wären die beiden gemischten Tüten im Weisen-Modus unterwegs, fände ein ganz anderes Gespräch statt. Mit Empathie für sich und den anderen: Wie geht es jedem von uns mit der Situation? Eine gemeinsame sachorientierte Betrachtung würde folgen: Wie ist die Situation? Was ist erledigt, wo stagniert es? Welche Lösungen sind denkbar? Und eine klare, fokussierte Handlung könnte folgen, z.B. die Aussage „Ich brauche es um 15h. Was brauchst du, um es mir 15 Minuten vorher zu liefern?“

Augen auf beim Griff in die Tüten

Mit klarem Blick ins Innere der Tüten wird das Handeln einfacher. Der erste Schritt: Erkenne deine negativen Gefühle als das, was sie sind: Ein Hinweisschild! Die Hand auf der heißen Herdplatte. Autsch, Stop. Weitermachen empfiehlt sich nicht. Denn negative Gefühle sind der eindeutige Hinweis: Saboteur am Werk! Daraus folgt der zweite Schritt, ihn zu benennen, z.B. „Das ist mein Kontrolleur. Er meint gerade, dass es nur genau nach seinem Weg funktionieren kann.“

Danach heißt es im Gehirn umsteuern. Wie das funktioniert? Durch das Lenken der Aufmerksamkeit auf  Sinneswahrnehmungen: Was sehe ich vor mir? Was ist das entfernteste Geräusch? Was spüre ich, wenn ich Daumen und Zeigefinger aufeinander bewege? Wo spüre ich meine Atmung? Durch diese kleinen Interventionen kann das Gehirn den unproduktive Standard-Modus nicht aufrecht erhalten. Stattdessen gewinnt der Weise die Oberhand. Allerdings gilt: Eine Verhaltensänderung besteht aus 20% Einsicht und 80% Training, genauer Gehirn-Muskeltraining. Ist die herausfordernde Situation kein Spaziergang, sondern eine Bergtour, heißt es regelmäßig trainieren!

Nutzen Sie im Team das Beste aus allen Tüten

Wer mit den Saboteuren erst einmal vertraut ist, erkennt sie schnell beim anderen. In Talkshows. In Beziehungen. In Meetings. Im Team können alle mit diesem geteilten Wissen über sich hinauswachsen. Dazu können dies Ihre ersten Schritte sein:

  1. Machen Sie den Saboteurtest. Werden Sie sich über Ihren inneren Richter und die Komplizen klar. Wenn immer negative Gefühle andauern, benennen Sie den Saboteur.
  2. Teilen Sie sich mit: Erzählen Sie von Ihren Saboteuren. Laden Sie ein, die eigenen Saboteure zu entdecken. „Saboteur-Alarm“ kann ein gemeinsamer Code werden.
  3. Nutzen Sie bewusst die Kräfte des inneren Weisen: Empathie, Interesse, Kreativität, Orientierung an Ihren Werten, Fokus und Klarheit im Handeln.

Wenn Sie mehr über das mentale Muskeltraining erfahren möchten, vereinbaren Sie gern hier ein Gespräch. Als Positive Intelligence Coach unterstütze ich Sie gern, so dass sich die gemischten Tüten gemeinsam zur „Besten Wahl“ entwickeln.

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